Zwischen- und überstaatliches Recht
Durch ein neues deutsch-indisches Sozialversicherungsabkommen werden die Rentenversicherungssysteme beider Länder koordiniert. Zukünftig können Inder aus ihren deutschen Versicherungszeiten Rentenansprüche erwerben, ebenso wie Deutsche anders herum.
Für die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften gilt im Grundsatz das sog. Territorialitätsprinzip. Nach diesem gelten auch die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nur im eigenen Staat.
Innerhalb der EU wird die Anwendbarkeit der Sozialversicherungssysteme durch Verordnungen koordiniert. Über Europa hinaus ist die Bundesrepublik Deutschland mit einzelnen Staaten über eine Vielzahl von Abkommen sozialversicherungsrechtlich verbunden. Falls kein über- bzw. zwischenstaatliches Recht anwendbar ist, kommen in Deutschland Vorschriften über Ein- und Ausstrahlung zur Anwendung.
Fehlt die Zuweisung zum Rechtssystem eines bestimmten Staates, besteht die Gefahr, dass es zu Versicherungslücken und Doppelversicherungen kommt. Sowohl bilaterale Abkommen mit einzelnen Staaten als auch europäische Verordnungen sehen grundsätzlich vor, dass die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nur in dem jeweiligen Land gelten.
Daher hat die Bundesrepublik mit einer Vielzahl anderer Staaten Sozialversicherungsabkommen geschlossen. Darin wird geregelt, ob ein Arbeitnehmer bei einem Einsatz im Ausland weiter in seiner Inlandssozialversicherung versichert ist oder ob er ggf. in die ausländische Sozialversicherung integriert wird. Die Abkommen über die soziale Sicherheit sind in ihrem sachlichen und persönlichen Geltungsbereich unterschiedlich geregelt. Auf der einen Seite gibt es Abkommen, welche die Arbeitnehmer ohne Rücksichtnahme auf die Staatsangehörigkeit erfassen. Andererseits existieren Abkommen, die nur auf Staatsangehörige der jeweiligen Vertragsstaaten anwendbar sind. Zudem enthalten einige Abkommen lediglich Abgrenzungsnormen bezüglich der Rentenversicherung, andere schließen hingegen sämtliche Zweige der Sozialversicherung ein. Geht es um Versicherungszweige, die der sachliche Geltungsbereich des betreffenden Abkommens nicht erfasst, so sind bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten die §§ 4 und 5 SGB IV (Regelungen der Ein- und Ausstrahlung) zu beachten.
Das Sozialversicherungsabkommen 2009
Mit dem Staat Indien verbindet Deutschland seit dem Jahr 2009 ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen. Dieses gilt für sämtliche Arbeitnehmer, die sich für gewöhnlich in Indien oder in der Bundesrepublik aufhalten oder dort eine Tätigkeit ausüben. Dabei erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich in Deutschland zunächst einmal auf die Rentenversicherung. Im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit in Indien und der Fortgeltung der deutschen Gesetzesvorschriften finden die deutschen Normen über die Arbeitslosenversicherung zudem ebenfalls weiter Anwendung.
Wird ein Arbeitnehmer im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Indien entsandt, gelten die deutschen Normen für die Zeit von längstens 48 Monaten fort. Für die Zeit darüber hinaus kann durch eine Ausnahmevereinbarung die Fortgeltung deutschen Rechts beantragt werden.
Bundesregierung erweitert Abkommen mit Indien
Im Jahr 2012 hat die deutsche Bundesregierung ein Sozialversicherungsabkommen unterzeichnet, welches Verbesserungen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Rentner enthält. Dieses deutsch-indische Abkommen koordiniert die Rentenversicherungssysteme beider Staaten und stellt sicher, dass der soziale Rentenversicherungsschutz auch bei einem Aufenthalt im jeweils anderen Staat weiter fortbesteht.
Das seit dem Jahr 2009 bestehende Entsendeabkommen wird in das Sozialversicherungsabkommen integriert. Zudem werden für diejenigen, die nicht von diesem Entsendeabkommen profitieren können, neue Regelungen geschaffen. Aufgrund der Zusammenrechnung aller Versicherungszeiten aus beiden Staaten können in der Zukunft Inder aus deutschen und Deutsche aus indischen Versicherungszeiten Ansprüche für ihre Rente erwerben.
Die Bundesrepublik Deutschland ist für Indien der wichtigste Handelspartner innerhalb der EU. Der bilaterale Handel zwischen Indien und Deutschland gewann in den letzten 20 Jahren immens an Bedeutung. Somit sind die Verbesserungen durch das neue Sozialversicherungsabkommen vollends im Interesse deutscher Unternehmungen sowie derer in Indien eingesetzten Mitarbeiter. Das Abkommen muss nunmehr noch den Bundestag und den Bundesrat durchlaufen, ehe es in Kraft treten kann.
Autor: Norbert Fuchs