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Fahrkosten

Kein Anspruch auf Fahrkosten durch Krankenkasse

Es besteht kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf Erstattung der Kosten von Fahrten zum Arbeitsplatz während einer stufenweisen Wiedereingliederung beim Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit. Zu dieser Entscheidung ist das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 16.05.2024, B 1 KR 7/23 R gekommen.

Kein Zusammenhang zu einer medizinischen Rehabilitation

Der als Arbeitnehmer beschäftigte Kläger war arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld (Krg). Maßnahmen der Rehabilitation (Reha) in einer ambulanten oder stationären Einrichtung nahm er in diesem Zeitraum nicht in Anspruch. Die behandelnde Hausärztin stellte für den Kläger einen ärztlichen Wiedereingliederungsplan über eine stufenweise Wiedereingliederung aus. Für den Zeitraum der Wiedereingliederung beantragte der Kläger bei seiner Krankenkasse die Übernahme der Fahrkosten zum Arbeitsplatz.

Das Sozialgericht Dresden hatte den ablehnenden Bescheid der Krankenkasse aufgehoben und diese antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und die Berufung zugelassen. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hatte das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das BSG hat daraufhin die Entscheidung des LSG bestätigt und die Revision des Klägers gegen die Entscheidung des LSG zu-rückgewiesen.

Das BSG stellte in seiner Entscheidung fest, dass die Voraussetzungen nach § 60 Absatz 5 Sozialgesetzbuch Teil V (SGB V), wonach Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen werden, nicht vorliegen. In den Entscheidungsgründen wurde klargestellt, dass die in § 74 SGB V genannte stufenweise Wiedereingliederung keine Leistung zur medizinischen Reha darstelle. Sie bezweckt die Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Versicherter in das Erwerbsleben. Die stufenweise Wiedereingliederung als Instrument zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit findet am Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers in einem vom Arbeitsvertrag losgelösten Wiedereingliederungsverhältnis statt. Dem arbeits- und sozialrechtlich weiterhin arbeitsunfähigen Arbeitnehmer soll die Wiederaufnahme seiner Beschäftigung an seinem Arbeitsplatz – gegenüber dem arbeitsvertraglich Geschuldeten – in reduziertem Umfang ermöglicht werden.

Sie sei damit nicht auf die in § 11 Absatz 2 SGB V beschriebenen Ziele, eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, ausgerichtet. Sie setze auch nicht das Vorliegen einer Behinderung oder behinderungsbedingter Folgen voraus.

Für Leistungen zur medizinischen Reha, die auf die Wiederherstellung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit aus-gerichtet sind, seien die Rentenversicherungsträger die regelmäßig zuständigen Reha-Träger. § 74 SGB V konkretisiere nur die vertragsärztlichen Pflichten und den Inhalt der vom Vertragsarzt zu erbringenden Leistungen.

Hinsichtlich einer Leistungspflicht der Rentenversicherungsträger ist ergänzend in der Entscheidung des BSG ausgeführt, dass eine ohne Zusammenhang mit anderen Leistungen zur medizinischen Reha durchgeführte (isolierte) stufenweise Wiedereingliederung auch dahingehend keine Leistung zur medizinischen Reha ist.

Auswirkungen für die praktische Anwendung

Die Frage nach der rechtlichen Einordnung und dem Rechtscharakter der stufenweisen Wiedereingliederung stellte sich bereits seit Beginn der praktischen Umsetzung. Mit Inkrafttreten des § 74 SGB V zum 01.01.1989 wurde eine Regelung eingeführt, welche aber nicht im Leistungsrecht, sondern im Vertragsarztrecht angesiedelt wurde.

Nach der Aufnahme der stufenweise Widereingliederung in das SGB IX wurde in der Literatur teilweise diskutiert, ob der Gesetzgeber damit eine eigenständige Leistung für alle Rehabilitationsträger schaffen wollte. Umstritten war stets die Frage nach der Rechtsnatur. Dies hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass erst--und zweitinstanzliche Gerichte zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur materiellen Reichweite der Regelung und der in diesem Zusammenhang geltend gemachten Fahrten zum Arbeitsplatz gelangt sind.

Das BSG hat nunmehr in der umstrittenen Rechtsfrage für Klarheit zu Gunsten der Krankenkassen gesorgt.

Das Urteil ist vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks sowie der gesetzessystematischen und historischen Auslegung überzeugend und steht im Einklang mit den geltenden Vorschriften. In diesem Zusammenhang geht der 1. Senat über die bisherigen Urteile des BSG hinaus (u.a. BSG, Urteil vom 21.03.2007 – B 11a AL 31/06 R; BSG, Urteil vom 29.01.2008 - B 5a/5 R 26/07 R; BSG, Urteil vom 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R) ohne sich jedoch in direkten Widerspruch zu diesen Entscheidungen zu setzen. So wird bspw. bezüglich der Definition einer Reha-Hauptleistung klargestellt, dass den damaligen Entscheidungen ein an-derer Sachverhalt zu Grunde lag.

Positiv hervorzuheben ist, dass das BSG neben der vom Kläger aufgeworfenen Frage der Fahrkostenerstattung auch auf die dogmatischen Grundlagen sowie auf die Zuständigkeitsabgrenzung der gesetzlichen Krankenversicherung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und auch auf die umfassende Prüfungs- und Leistungszuständigkeit des erstangegangenen Trägers bei nicht rechtzeitiger Weiterleitung nach § 14 Abs. 2 SGB IX eingegangen ist.

Einzig die Durchführung einer stufenweisen Widereingliederung im Anschluss an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers erachtet das BSG als eine „zweite Phase der Rehabilitation“ und sieht diese als Bestandteil einer medizinischen Reha an. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber sich dadurch veranlasst sieht, die stufenweise Wiedereingliederung generell in den Katalog der medizinischen Rehabilitationsleistungen aufzunehmen.

Trotz der Klarstellung des BSG kann es in Einzelfällen weiterhin zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Im Ergebnis dürfte es jedoch zur Entlastung der Krankenkassen führen, wonach auch ein Rückgang der Anzahl von Widerspruchs- und Klageverfahren zu erwarten ist.

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