Neuregelungen nicht nur im Heil- und Hilfsmittelbereich
Das neue HHVG (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz) zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung ist zum 10.04.2017 in Kraft getreten. Die beschlossenen Neuerungen betreffen jedoch nicht nur, wie der Name vermuten lässt, die Leistungsbereiche der Heil- und Hilfsmittel, es gibt auch umfangreiche Änderungen in den Bereichen Krankengeld, Datenschutz, der Beitragsbemessung und Beitragseinstufung von Selbständigen, sowie auch im Bereich des Risikostrukturausgleichs (RSA).
Versorgung bei Heil- und Hilfsmitteln wesentlich verbessert
Die Gesetzliche Krankenversicherung wird aufgrund der stetig älter werdenden Gesellschaft dazu gezwungen, dem Bereich der Heil- und Hilfsmittelversorgung einen immer größeren Rahmen einzuräumen. Die Versicherten müssen deshalb beim Vorliegen von Erkrankungen oder Einschränkungen die richtigen Hilfen erhalten, um eine selbst bestimmte Bewältigung ihres Alltags erreichen zu können, erklärte der Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu diesem Thema. Der große Bereich von solchen Hilfen umfasst, unter vielen anderen, Rollstühle, Prothesen, Inkontinenzhilfen und auch Hörgeräte. Ein Ziel des neuen Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes ist in diesem Zusammenhang die immense Wichtigkeit von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und auch Podologen besonders hervorzuheben. Es sollen aber auch die Qualitätsziele bei der Heilmittelversorgung angehoben werden.
Der Gesetzgeber hat den Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) dazu verpflichtet, bis 31.12.2018 das bestehende Heilmittelverzeichnis vollständig zu überarbeiten und zu aktualisieren. Dieses Verzeichnis enthält derzeit mehr als 29.000 Produkte und ist in 33 Produktgruppen aufgeteilt. Durch den Auftrag zur Überarbeitung erhält der GKV-Spitzenverband deshalb eine immense Aufgabe mit einem riesigen Arbeitsvolumen. Darüber hinaus erhielt der GKV-Spitzenverband noch die Verpflichtung eine Verfahrensordnung zur Sicherstellung der Aktualität des Hilfsmittelverzeichnisses festzulegen und zwar bis spätestens 31.12.2017. Außerdem muss erstmals bis 30.06.2018 und danach im jährlichen Rhythmus ein Bericht über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarung für die Hilfsmittelversorgung veröffentlicht werden.
Wenn Krankenkassen zukünftig, nach entsprechender Ausschreibung über eine Vergabe im Hilfsmittelbereich entscheiden, müssen sie nicht nur den Preis, sondern auch die qualitativen Produktanforderungen sowie die mit dem Produkt zusammenhängenden Dienstleistungen in Betracht ziehen. Die Vergabe eines Hilfsmittels nach Ausschreibung schließt aber eine Wahlmöglichkeit der Versicherten hinsichtlich aufzahlungsfreier Hilfsmittel nicht aus. Sollte ein Hilfsmittel jedoch, z.B. wegen starker körperlicher Behinderungen, einer hohen individuellen Anpassung bedürfen, ist eine Ausschreibung nicht gestattet.
Um eine deutliche Abgrenzung von innovativen Hilfsmitteln, bei denen erst noch eine umfassende Überprüfung und Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durchgeführt werden muss, zu erreichen, musste es zu einer absoluten Neuregelung im Hilfsmittelverzeichnis kommen.
Ist ein bestimmtes Produkt unmittelbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode und ist nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes deshalb eine Nutzenbewertung durch den G-BA erforderlich, so muss innerhalb eines halben Jahres eine entsprechende Auskunft darüber durch den G-BA an den GKV-Spitzenverband erfolgen. Das Bewertungsverfahren wird unmittelbar durch den G-BA eingeleitet, wenn sich nach der Prüfung herausstellt, dass das Produkt untrennbar mit der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode verbunden ist.
Durch die neuen Regelungen besteht eine absolute Verpflichtung, dass die Krankenkassen die gesetzlichen und vertraglichen Pflichten als Leistungserbringer einhalten. Um dies zu gewährleisten, müssen bei den Krankenkassen Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen durchgeführt werden. Der GKV-Spitzenverband soll hierzu bis spätestens 30.06.2017 Rahmenempfehlungen zur Vertragskontrolle ausarbeiten und vorlegen. Ein weiteres Anliegen war dem Gesetzgeber die Verbesserung der Beratung der Versicherten über die Rechte bei der Hilfsmittelversorgung. Die Krankenkassen wurden deshalb dazu verpflichtet, bei der Beantragung eines Hilfsmittels, die Versicherten über ihre Vertragspartner sowie die wesentlichen Inhalte der bestehenden Verträge zu informieren. Dies gibt den Versicherten eine Vergleichsmöglichkeit bei den Hilfsmittelangeboten zwischen den verschiedenen Krankenkassen an die Hand.
Bei den Sehhilfen kommt es durch das neue HHVG zu wesentlichen Verbesserungen für die Versicherten. Sehhilfen werden bisher von den gesetzlichen Krankenkassen nur noch in sehr wenigen Ausnahmefällen gezahlt. Dies ändert sich jetzt dahingehend, dass zukünftig Sehhilfen bei einer Kurz- oder Weitsichtigkeit wieder übernommen werden, wenn eine Sehschwäche von mindestens 6 Dioptrien oder wegen einer bestehenden Hornhautverkrümmung mindestens 4 Dioptrien vorliegt.
Um den wachsenden Anforderungen an die Heilmittelerbringer nachzukommen, hat man durch das neue HHVG den Krankenkassen und deren Verbänden die Möglichkeit gegeben in den Jahren 2017 bis 2019 entsprechende Verträge bzw. Vergütungsvereinbarungen oberhalb der Veränderungsrate (=Summe der beitragspflichtigen Einnahmen aller GKV-Mitglieder) auszuarbeiten und abzuschließen. Darüber hinaus wurde auch die Attraktivität und der Anreiz für Therapieberufe wie, Physio- und Ergotherapeuten sowie Podologen und Logopäden deutlich gesteigert.
Eine weitere Neuerung bzw. Verpflichtung liegt darin, dass die Krankenkassen mit den Verbänden der Heilmittelerbringer Verträge über Modellvorhaben zu „Blankoverordnungen von Heilmitteln“ ausarbeiten und abschließen müssen. Bei einer Blankoverordnung wird, wie bisher auch, das Heilmittel vom behandelnden Arzt verschrieben. Die Auswahl, Dauer, Wiederholung und Anzahl der Therapie wird dann aber vom Heilmittelerbringer festgelegt. Dies hat auch zur Folge, dass den Heilmittelerbringern eine höhere Verantwortung aber auch eine stärkere Einbindung bei der Versorgung mit Heilmitteln zukommt. Um eine Entscheidung zu dieser Versorgungsform als Regelversorgung herbeiführen zu können ist aber noch in jedem Bundesland die Durchführung eines Modellvorhabens notwendig, bisher ist dies nur in zwei Bundesländern erfolgt.
Ein Verfahren, das den Apotheken, orthopädischen Betrieben, Sanitätshäusern und anderen Hilfsmittelanbietern den Nachweis der grundsätzlichen Eignung ermöglicht, das Präqualifikationsverfahren, erfährt durch das HHVG eine starke Weiterentwicklung.
Beitragsbemessung und Beitragseinstufung von Selbständigen
Auch die Beitragsbemessung und Beitragseinstufung von freiwillig versicherten Selbständigen erfahren durch das HHVG einige entbürokratisierende Änderungen.
So wird die Beitragsbemessung erst einmal aufgrund des letzten ausgestellten Steuerbescheides vorgenommen. Liegt dann der Einkommenssteuerbescheid für das Kalenderjahr vor, für das Beiträge zu zahlen sind, erfolgt die endgültige Festsetzung des Beitrages. Herangezogen werden immer das Arbeitseinkommen sowie weitere beitragspflichtige Einnahmen, die starken Schwanklungen unterliegen. Dadurch soll es keine Beeinflussungen bei der Beitragseinstufung mehr geben, die durch evtl. längere Bearbeitungszeiten bei den Finanzämtern entstehen können. Ein Problem bei dieser Verfahrensweise ist allerdings, dass bei hauptberuflich Selbständigen die Mindestbeiträge zum Teil deutlich über den tatsächlichen Einkommensverhältnissen liegen können und es deshalb zu einer finanziellen Überforderung kommen kann.
Codierung bzw. Upcoding
Der Risikostrukturausgleich (RSA) ist ein finanzieller Ausgleichsmechanismus zwischen den verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen, der sich seit 2009 auch am Krankheitszustand, der Morbidität, der Versicherten orientiert (Morbi-RSA). Einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Finanzausgleich hat die Codierung der Patientendaten. Nun hat im Jahr 2016 ein Begriff für Aufsehen gesorgt, das Upcoding. Hierbei kam es bei manchen Kassen zu nachträglichen Änderungen bei Patientendiagnosen und damit positiven Auswirkungen für diese bzw. Benachteiligungen für andere Kassen. Das HHVG macht nun Schluss mit solchen Einflussnahmen. Die vom Arzt gestellten Diagnosen können durch die Krankenkassen nicht mehr beeinflusst werden. Das HHVG verbietet künftig die zusätzlichen Vergütungen für Diagnosen in Gesamt- und Selektivverträgen, die Inanspruchnahme von Kodierberatungen sowie die nachträgliche Übermittlung von Diagnosen im Rahmen von Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen. Außerdem schränkt das HHVG den Bestandsschutz bei Betreuungsstrukturverträgen stark ein.
Keine Versorgungslücke beim Krankengeld mehr
Bisher bestand immer eine zeitliche Lücke bei der Versicherungspflicht zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Bezug von Arbeitslosengeld. Diese Versorgungslücke wird nun durch das HHVG geschlossen und zwar dahingehend, dass der Beginn der Versicherungspflicht vorgezogen wird und bereits ab dem ersten Tag einer Sperrzeit oder einer Urlaubsabgeltung Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld besteht.
Zum Datenschutz
Um neuen Datenpannen oder auch Sicherheitslücken bei den Online-Portalen der Krankenkassen vorzubeugen wurde in das HHVG auch eine Richtlinie zum Schutz von Sozialdaten eingebaut. Hintergrund zur Aufrüstung der Datenschutzrichtlinien war auch die unzureichende Sicherheit bei der Authentifizierung bei elektronischen und telefonischen Anfragen.
Schutzmaßnahmen in geeigneter Form beim Kontakt mit dem Versicherten werden durch die neue Datenschutzrichtlinie definiert und festgelegt. Das HHVG und die neue Datenschutzrichtlinie verpflichten die Krankenkassen zweckmäßige Schutzmaßnahmen zu ergreifen und einzuhalten.
KVdR – Krankenversicherung der Rentner-
Die neuen Regelungen des HHVG betreffen auch die Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Hier wird der Zugang zur KVdR für Ehegatten und Lebenspartner entscheidend verbessert, weil künftig pro Kind pauschal drei Jahre auf die erforderliche Vorversicherungszeit (9/10 Regelung) angerechnet werden können. Wichtig ist dies, wenn die Betreuung von Kindern in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens unterbrochen wurde und auch keine gesetzliche Krankenversicherung bestanden hat.
Ehegatten und Lebenspartner die Kinder erzogen haben, waren bisher stark benachteiligt, da sie nicht die Möglichkeit hatten, in der im Normalfall günstigeren KVdR versichert zu werden.
Für weitere Informationen zu diesem Thema steht Ihnen die Rentenberatung Kleinlein & Partner selbstverständlich kompetent und sachkundig zur Seite.